Der digitale Mitarbeiter – Ein unscheinbarer Bot schafft großen Nutzen im Digitalisierungshype
Warum Digitalisieren? Diese kurze und prägnante Frage stellt Investitionen auf den wirtschaftlichen Prüfstand. Ein unscheinbarer Bot, der wiederkehrende Arbeiten dort erledigt wo Serviceschnittstellen scheitern, ist ein Prestigebeispiel für erfolgreiche Digitalisierung.
Ein nüchterner Blick hinter die Kulissen der Digitalisierung offenbart einen Prozess, der einerseits tagtäglich stattfindet, andererseits jedoch zu menschlichem Unwohlsein führt. Es handelt sich um kontinuierliche Veränderung, die einen Aufwand mit sich bringt, das bekannte Umfeld zu verlassen. Aufgrund seiner Veranlagung strebt der Mensch jedoch nach der Vermeidung eines solchen Aufwands.
Kontinuierliche Veränderung ist in einem freien Markt jedoch zwingend notwendig, um die Existenz eines Unternehmens sicherzustellen. Dies erfolgt durch die Optimierung des gegenwärtigen Geschäftsmodells, oder durch die Erschließung neuer Märkte.
Die Digitalisierung ist demnach ein Instrument, das Unternehmen mit neuen Technologien bei dieser Veränderung unterstützt. Im Umkehrschluss lässt sich daraus ableiten: Möchte ein Unternehmen sich nicht verändern, benötigt es auch keine Digitalisierungsstrategie.
In Anlehnung an eine Grafik zu einem Interview mit Alexander Osterwalder von Strategyzer („Die Presse“ vom 09.12.2018), entstand das nachfolgende Orientierungsbild zu den Zielen der Digitalisierung.
Technologiegestützte Veränderung dient der Verbesserung eines bestehenden oder der Erfindung eines vollkommen neuen Geschäftsmodells. Je nach Veränderungsvorhaben sind einzelne Prozesse, oder auch das gesamte Unternehmen betroffen.
Damit ist in erster Instanz die Frage „Warum digitalisieren?“ geklärt: Es muss ein wirtschaftlicher Nutzen entstehen. Um die Strategie weiter zu konkretisieren, ziehen wir die Ansoff Produkt-Markt-Matrix heran.
Das Ausreizen eines bestehenden Geschäftsmodells ist immer dann möglich, wenn sich bestehende Produkte auf bereits bestehenden Märkten befinden. Alle anderen Varianten erfordern je nach Komplexität und Umfang die Erforschung neuer (digitaler) Geschäftsmodelle. Damit verbunden sind gleich zwei Risiken: Das Markteintrittsrisiko und das Investitionsrisiko in digitale Technologien.
Mit Fokus auf eine digitale Optimierung des Geschäftsmodells sind folgende Aspekte zu betrachten:
- Veränderungen erfolgen großteils auf Prozessebene und damit weitgehend isoliert in Relation zum gesamten Unternehmen.
- Das Umfeld ist bekannt. Ideen für Ablaufoptimierungen befinden sich unter Umständen bereits in den Köpfen der Mitarbeiter. WIE eine Optimierung erfolgen kann ist durch Methodenarbeit zu evaluieren.
- Ein wirtschaftlicher Nutzen lässt sich rasch erkennen und weiter ausbauen. Durch Definition, welchen KPI die Verbesserung zum Ziel hat, ist auch das WAS bekannt.
Werden nun die drei wichtigen Fragen (WARUM, WIE und WAS) aneinandergereiht, ist der Golden Circle vollständig:
Die Antwort auf die digitale Sinnfrage lässt sich ebenso kurz formulieren wie die Frage selbst: Um ein bestehendes Geschäftsmodell durch technologiegestützte Veränderung zu verbessern und die weitere Existenz des Unternehmens zu gewährleisten.
Für die Beantwortung der Fragen WAS und WIE kommt nun der unscheinbare Bot ins Spiel.
Was ist der wirtschaftliche Nutzen eines Bots?
Anzunehmen wäre, dass jene KPIs in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken, die eine direkte Auswirkung auf den Gesamterfolg widerspiegeln. Es werden jedoch jene KPIs herangezogen, die aus der strategischen Vogelperspektive betrachtet fast unscheinbare Prozesse messen:
- Zeiteinsatz für täglich wiederkehrende und gleichartige administrative Arbeiten.
- Verhältnis interner Aufwände zu verrechenbaren Leistungen.
- Gleichbleibende Datenqualität bei Überleitung zwischen Applikationen.
- Reduktion von DSGVO-relevanten „Data Breach-Vorfällen, die durch unsachgemäße Arbeitsweise entstanden sind.
- Reaktionszeit und Durchführungsdauer bei Bestellungen, Auslieferungen und Kundenanfragen.
Damit ist auch das WAS der gezielten Digitalisierungsmaßnahme geklärt: Es werden wiederkehrende Arbeitsschritte automatisiert, die sich durch Softwareschnittstellen nicht lösen lassen und/oder menschlichen Arbeitseinsatz erfordern.
Schnittstellen sind aus vielfältigen Gründen nicht durchgehend verfügbar und erfordern die manuelle Eingabe über Programm-Masken. Beispiele hierfür sind:
- Die Entwicklung einer Schnittstelle ist technologisch nicht möglich oder die notwendigen Entwickler stehen nicht länger zur Verfügung.
- Die Schnittstellenentwicklung ist zu teuer.
- Eine alte Geschäftsapplikation ist weiterhin erforderlich, jedoch wird sie vom Hersteller nicht mehr supportet oder weiterentwickelt.
- Es fehlt an Know-how für die Entwicklung der Schnittstellen.
- Ein Arbeitsschritt erfordert die Eingabe von Daten in mehrere lokale Applikationen, darüber hinaus aber auch in Remote-Sitzungen oder Websites.
In diesen und vielen weiteren Fälle ist der Einsatz von Mitarbeitern notwendig, um technologische Hürden in einem durchgehenden Prozess zu überwinden.
Neben der Auflösung technischer Medienbrüche, lassen sich bestehende Geschäftsmodelle optimieren, indem Mitarbeiter Zeit für anspruchsvolle und nutzenstiftende Aufgaben erhalten. Der digitale Kollege übernimmt dabei Arbeiten, die zwar wiederkehrend und eintönig sind, aber auch notwendig:
- Gescannte Dokumente werden automatisiert verarbeitet und im ERP-System sowie in der Buchhaltungssoftware erfasst.
- Monatliche Abrechnungsdokumente auf Excel-Basis werden automatisiert den entsprechenden Kostenstellen in der Fuhrparksoftware zugeordnet und verbucht.
- Das Bewerbermanagement wird datenschutzkonform abgewickelt, indem personenbezogene Informationen garantiert automatisiert verarbeitet und gelöscht werden. Unabhängig vom Kommunikationskanal, über den die Bewerbung eintrifft.
- Eine durch den Kunden per Webformular angeforderte Retourwarenabholung wird automatisiert beim Speditionspartner disponiert. Der Rückholungsauftrag ist systemunabhängig innerhalb weniger Sekunden und ohne menschlichen Eingriff abgeschlossen.
Die angeführten technischen und organisatorischen Beispiele sind nur ein Auszug, welche Aufgaben ein digitaler Mitarbeiter erfüllen kann. Durch Messung von Laufzeiten, Qualität, Sicherheit und weiterer KPIs, lässt sich der wirtschaftliche Nutzen ableiten und auf den Gesamterfolg umlegen.
Je nach Aufgabe, Einsatzumfeld und Prozessdurchdringung, ergeben sich zudem positive Nebeneffekt für das Unternehmen: Überstundenzeiten reduzieren sich, im Zuge eines Employee Engagement-Programms können Mitarbeiter mit anspruchsvolleren Arbeiten begeistert werden und Kunden erhalten Ansprechpartner, die sich mehr Zeit für sie nehmen können.
Onboarding a Bot – Wie werden digitale Mitarbeiter erfolgreich eingeführt?
Bei der eingesetzten Technologie handelt es sich um Robotic Process Automation (RPA), welche nicht mit den physikalischen Robotern in der Industrie zu verwechseln ist. Der Begriff „digitale Mitarbeiter“ wird unter anderem auch deshalb als Synonym für den Bot verwendet, da dieser Applikationen und Software wie ein menschlicher Anwender nutzen kann. Der Bot öffnet und schließt Applikationen, kopiert Inhalte aus Excel in Webanwendungen und versendet E-Mails.
Will ein Unternehmen Prozesse durch den Einsatz von Bots verbessern, so beginnt alles mit einer Erstqualifikation. Führungskräfte und Mitarbeiter werden eingebunden und "Hot Spots" identifiziert, die Potential für den Einsatz des Bots bieten. Neben dem eigentlichen Sinn und Zweck der Identifikation automatisierungsfähiger Arbeitsschritte, zeichnet eben genau diese Maßnahme die soziale und kulturelle Kompetenz des Unternehmens aus.
Vermutlich werden Sie beim Lesen des Begriffs „digitaler Mitarbeiter“ ein Unwohlsein verspüren. Dies beruht möglicherweise auf dem Gefühl, dass Bots eine Veränderung des Arbeitsumfeldes bewirken und in weiterer Folge die menschlichen Kollegen ersetzen könnten. Durch Change Management-Maßnahmen, die soziale Kompetenz voraussetzen und Change Communication erfordern, wird entsprechenden Bedenken entgegengewirkt und die betroffenen Mitarbeiter umfassend miteinbezogen. Schlussendlich möchte kein Unternehmen auf wertvolle Mitarbeiter verzichten, sondern diese durch den gezielten Einsatz von Technologie unterstützen und dabei den wirtschaftlichen Erfolg nicht aus den Augen verlieren.
Nachdem geeignete Arbeitsschritte gefunden, KPIs definiert und die betroffenen Mitarbeiter in das Projekt integriert wurden, erfolgt die Erstellung erster Bot-Prototypen. Mit diesem „minimal überlebensfähigen Produkt“ („minimum viable products“, MVP) wird innerhalb kurzer Zeit getestet, ob ein Bot für einen wirtschaftlichen Nutzen sorgen kann.
Die notwendige Software wird im Rechenzentrum des Kunden, hybrid oder in der Cloud installiert, der Prozess grundlegend in der Software abgebildet und im Anschluss getestet. Innerhalb weniger Tage sind die ersten Ergebnisse sichtbar.
Bei der Umsetzung eines entsprechenden Projektes wird auf ein langes Pflichtenheft verzichtet. Stattdessen wird einfach ausprobiert - so, wie es die Digitalisierung ideologisch vorsieht. Denn oftmals übersteigen die Kosten für die Erstellung langwieriger Projektdokumente jene des Ausprobierens. Ebenso lassen sich mit dem „Einfach tun“-Ansatz Begeisterungsmomente umgehend in schnelle Erfolge überführen und entsprechend festigen. Ein Nebeneffekt dieses Vorgehens ist ein positiver Flurfunk zwischen den Mitarbeitern. Er ist ein guter Nährboden für weitere Projekte und schafft Akzeptanz.
Je nach Komplexität steht nach wenigen Projekttagen bzw. -wochen der erste automatisierte Arbeitsschritt im Prozess zur Verfügung. Weitere, identische Arbeitsplätze können einfach ergänzt werden, so dass sich der Erfolg umgehend multiplizieren lässt.
Wurden die ersten Prozesse erfolgreich automatisiert, kann über die Einbindung von künstlicher Intelligenz nachgedacht werden, um das Potential weiter zu realisieren.
Zusammengefasst, ist ein Digitalisierungsprojekt mit dem Fokus auf RPA ein erfolgversprechender Ansatz zur bestmöglichen Ausschöpfung des heutigen Geschäfts. Change Management-Kenntnisse, soziale Kompetenz, Prozessverständnis und Methoden zur Einbindung von Mitarbeitern sind Fähigkeiten, die wir für einen gemeinsamen Erfolg gerne in Ihr persönliches Projekt mit einbringen.
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